»ellipse...« Brian Coates, 2007 (Deutsche Übersetzung / German Translation)

Aus dem Englischen übersetzt von Jürgen Schneider.

Enda O’Donoghue hat einmal von den Räumen des »Dazwischen « gesprochen, die auf seinen Gemälden zu sehen sind; sein Interesse an den physischen Charakteristika solcher Orte wie Flughäfen, Bahnhöfen, Warteräumen, Warteschlangen beim Einkaufen ist mit einem vertrauten Thema europäischer Kultur verbunden: unsere Folktales und Vorstellungswelten sind durchsetzt mit solchen Räumen, die das Ländliche und Urbane, Vernunft und Gefühl, Fakt und Fiktion, Vergangenheit und Gegenwart überspannen.

Die Zwischenräume des kulturellen Lebens stellen eine besondere Herausforderung für den Künstler dar, da sie oft zu den alltäglichsten Bildern der zeitgenössischen Existenz gehören. »... der Mensch existiert, erscheint auf der Bühne, und erst hinterher definiert er sich«, kommentiert Sartre. Warten, »zwischen zwei Welten«, ist eine Zeit, in der wir uns erfahren; es gibt nichts zu tun, keine Ablenkung, nur den Menschen und seine oder ihre Existenz. Wir warten auf die Zeitung, auf einen Plausch, auf den Schlaf, auf einen Wortwechsel (wie Beckett so genau wusste), um diese Lücke zu füllen.

Enda O’Donoghues künstlerische Praxis durchfließt verschiedene Medien und thematische Interessen, wobei die Beschäftigung mit dem Stellenwert der Conditio humana den roten Faden bildet. Zu seinen kreativen Projekten gehörten das Zusammenspiel von Sound und Bild, und von Video, Fotografie, interaktiven Medien und Malerei. So ist ein aufregendes Werk entstanden, bereichert noch durch die vom Künstler geschätzte Technologieanwendung. Das alte Handwerk Malerei wird durch die Infusion des Neuen dem Vertrauten entzogen; der Computer und der Pinsel oder die Schablone dienen einer gemeinsamen Sache, der Untersuchung der Veränderungen der Alltagserfahrung.

Das Gemeinsame dieser Erfahrung liegt im Problem der Eigentümerschaft, das diese Bilder aufwerfen. In gewisser Weise sind sie gemeinschaftliches Eigentum, doch auch das Werk eines einzigen Individuums. Sie existieren in multipler Form, können jedoch auch als ›Original‹ bezeichnet werden. Das Sampling von Musik hat ähnliche Fragen aufgeworfen, und die Anstrengungen, die O’Donoghue unternimmt, um diese Bilder zu bearbeiten, zeugen von seinem Verständnis solcher Probleme und von seinem Interesse daran. ›Copy‹, wie in Copyright, verlangt im Zeitalter des Klonens, des Cyberspace und der Transplantationen nach einer neuen Definition. Diese Gemälde begannen ihr Leben als Digitalfotos im Internet. Mit künstlerischer Energie und einer ausgeprägten Vorstellungskraft wurden sie ausgegraben und rekontextualisiert. O’Donoghue hat diesen Übergang vom Digitalbild zum Gemälde als Akt der Übersetzung bezeichnet. Er spürt der Urheberschaft der Bilder nach, bittet um Genehmigung, sie verwenden zu dürfen, und macht sich daran, das Bild ins Medium der Malerei zu übertragen, indem er ein Dia schießt und das Foto auf der Leinwand skizziert. Das Malen ist ein aufwändiger, hohe Fertigkeiten erfordernder, langer Akt: als ›Übersetzer‹ versucht er, Merkmale der Originale zu erhalten, deren Auswahl oft deswegen erfolgt, weil sie eine Rohheit der Erfahrung bieten. Die geringe Auflösung, die Pixelung, das Bildrauschen und digitale Störungen interessieren den Künstler, der versucht, seinem Endprodukt diese Eigenschaften einzuschreiben. Bei ›First Day New Job‹ und ›Waiting to be called‹ zeigt sich die absichtliche Vernachlässigung der Bildoberfläche deutlich; den Bildern ist ein melancholisches Entwurzeltsein eigen, das ihrem Thema entspricht. Edward Said spricht vom Warten als »... unaufhörlicher Erwartung, wegen des Moments, der vor etwas kommt, das selbst nie kommt, das jedoch im Prozess jeden in einen clown-ähnlichen Zustand pathetischer Banalität erstarren lässt, in dem Bewegung an den praktisch selben Orten nur begrenzt möglich ist.« Im Vordergrund von ›Registration‹ starrt ein im Profil zu sehender Mann ausdruckslos in den Raum; dieser ist voll von Leuten, die tatsächlich gesichtslos sind, weil sie von hinten betrachtet werden müssen. Auf anderen Gemälden ist das Räumliche auf die Verfügung über einen Sitzplatz in einem Nahverkehrszug oder einen bevorzugten Platz in einem Warteraum reduziert, temporäres nomadisches Gedrängel – das erschreckend Alltägliche dieser Bilder verstört.

Doch das Werk, das wir sehen, zelebriert auch. ›Pray‹, zum Beispiel, hebt den gestischen Gesang und Tanz hervor, der zwischen dem Physischen und Metaphysischen liegt, ein entscheidender Archetypus unserer Sinnsuche in einer zunehmend homogenisierten Welt. Die Bilder nahmen ihren Anfang im Geiste von Hobbyfotografen, die ihr Mobiltelefon oder ihre Digitalkamera benutzten, Gerätschaften, die Amateuren Macht in die Hand geben. Die Fotos verweisen auf die Neugier unserer Spezies. Irgendwer fand, dass dieser oder jener Augenblick festgehalten werden müsse, wobei die seltsame Wahl ein hervorstechender Aspekt des Ganzen ist. O’Donoghue verwandelt diese »pathetische Banalität« in Kunst, wobei er die Integrität der von ihm gefundenen undeutlichen oder der Okklusion unterliegenden Bilder respektiert. Das Internet ist ein Instrument der Demokratie wie der Überwachung, und diese Ausstellung bietet eine Plattform für unsere gemeinsame Besorgnis. Die Bearbeitung und Vergrößerung der Bilder, die Verwendung von Schablonen zur Analogisierung der niedrigen Auflösung der Bilder, das Herauslösen und Bewegen der Farbe, um die suggestiven Mangelhaftigkeiten des Originals zu betonen, verweisen darauf, wie wichtig O’Donoghue diese Dimension der Arbeit ist.

Die Übersetzung, die uns angeboten wird, ist ein gemeinschaftliches Ereignis, eine Inszenierung – der Bildmacher, der Künstler und das Publikum begegnen sich durch Momente, welche die flüchtigen Eigenschaften dieser nomadischen Räume evozieren, in denen sich das Dazwischen ereignet. Dieses ist verknüpft mit den einsamen Beziehungen, die dem Mandat der Warteschlange, der Bürokratie und dem Arbeitsleben unterstellt sind.

Brian Coates

Dr. Brian Coates leitet die Abteilung Kulturwissenschaften am Research and Publication Centre, Baroda, Gujarat, Indien und ist Gastwissenschaftler am Interaction Design Centre, University of Limerick, Irland.

Aus dem Englischen übersetzt von Jürgen Schneider.

October, 2007